Basler Agenda, 11.3.2004 Huhns hohe Kunst – Das interaktive Kunstprojekt «Inzwischen» wuchert im Kaskaden

Die Fahnen hängen auf Halbmast. Im Kaskadenkondensator herrscht Krisenstimmung. Allerdings nur im Hinblick auf die prekäre Finanzlage. Drin hat die Euphorie längst den pekuniären Frust besiegt. Quirliges Treiben, Hühnergegacker – selten hat man so unkonventionelle Kunst wie beim Projekt «Inzwischen» im alten Warteckareal gefunden. Die Idee, dass Künstler aufeinander reagieren, ist nicht neu, was sich hier aber in den letzten Wochen entwickelt hat, verlangt, traditionelle Assoziationen über Bord zu werfen. Warum sollten Hühner bedrohlich nahe beim Suppentopf nach Körnern picken? Wie kommt eine Künstlerin dazu, Tüten zu kleben? Und was erhebt einen Marktstand mit frischen Keimlingen zu Kunst?
Nicht allein der Anblick zählt, sondern der Prozess. Das «Experiment mit Wechselwirkungen» – so der Untertitel – sei «etwas vom Lustigsten», was Regina Hüglin gesehen hat. «Teilweise haben die Künstler hier übernachtet», erzählt die junge Koordinatorin begeistert. «Es war spannend zu sehen, wie jeder mit der Situation anders umgeht», berichtet Kuratorin Monika Kästli zufrieden. Zusammen mit Katharina Dunst und Annamira Jochim hat sie das Projekt entworfen.

Aus Zelt mach Stall

Man konnte jederzeit den Künstlerinnen und Künstlern bei der Arbeit über die Schulter schauen. Nacheinander mussten die vier Parteien den Raum gestalten und dabei auf Vorgefundenes eingehen. Vom Nomadenlager mit Hühnern und Müllhaufen, das Heimo Ganz und Martin Blum am Anfang inszeniert haben, ist nicht viel geblieben. Hina Strüver war das mit den Hühnern zu mühsam, und der Abfall begann zu stinken. Kurzerhand hat sie das Zelt in einen Stall verwandelt, alles weiss angemalt und das Federvieh hineingesetzt.
Allein die Kochstelle mit dem silbern glänzenden Suppentopf, der jetzt von den zukünftigen Opfern wie ein Heiligtum umkreist wird, ist geblieben. Der Müll hinter dem Zelt ist verschwunden, dafür sind Gemälde von Geneviève Morin hinzugekommen. Riesige Vogelstraussaugen glubschen einen von der Leinwand an, und ein Mädchen streift durch den Wald, als würde es mitten im Raum auf eine Lichtung zulaufen. «Hinaustragen durfte man eigentlich nichts, nur verändern», erklärt Hüglin die Bedingungen. Beim Müll wurde eine grosszügige Ausnahme gemacht.

Aus Huhn mach Suppe

Die alte Zeltplane ist jetzt über dem tiefer gelegenen Raum aufgespannt, mittendurch läuft eine riesige Stoffbahn und drauf stehen Tüten, die Corina Bezzola mit Klebsteifen bunt gestaltet hat. Wer genauer hinsieht, findet die Spuren ihrer Klebeaktionen überall. Immer wieder hat sie ihre bunten Bänder angebracht, am Maschendraht des Stalls ein winziges Gatter geklebt und die Wände mit Streifen verziert. Copa & Sordes haben endlose Spruchbänder mit barocken (B-)Engeln um den Stall gehängt, Marktstände aufgebaut, Hühner gerupft, davon Videos gedreht und pikanterweise Hühnersuppe gekocht.

Bis zur Finissage am Freitag werden die beteiligten Künstler noch einmal alles verändern. Michael Stauffer hat mit dem Stift und seiner Wortkunst die Kulisse kommentiert, und Irene Maag wird sie an der Finissage bespielen. Vielleicht darf man nach diesem gelungenen Projekt dann auch Fahnen wieder höher hängen, hoffentlich!

Marion Benz

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